Female Leadership

Selbstführung, Sichtbarkeit und die Kunst, Nein zu sagen

Als Head of People Development & Training bei der ZKW Group sowie als Coach und Initiatorin von Female Leadership Retreats begleitet Sandra Simeonidis-Huber Frauen dabei, ihren Führungsstil zu schärfen, klare Entscheidungen zu treffen und sich beruflich weiterzuentwickeln. Im Gespräch mit talks at work verrät sie, wie Frauen sich beruflich positionieren, innere Klarheit gewinnen und mutiger handeln können.

Sichtbarkeit beginnt bei der eigenen Wahrnehmung

Trotz vieler Möglichkeiten stoßen Frauen auf dem Weg in Führungspositionen nach wie vor auf strukturelle und persönliche Hürden. Eine, die diese Herausforderungen kennt und aktiv adressiert, ist Sandra Simeonidis-Huber – sowohl als Personalentwicklerin in einem internationalen Konzern als auch als Coach. „Wenn Frauen an Kompetenz denken, denken sie leider oft nicht zuerst an sich selbst“, sagt Sandra. Ihr Appell: innehalten, Leistungen anerkennen und sich mutig zeigen. Denn Sichtbarkeit ist entscheidend, um Verantwortung zu übernehmen und mitzugestalten. Gerade im Konzernumfeld gilt für sie: „Nicht warten, sondern Möglichkeiten ansprechen, mitgestalten, ins Gespräch gehen.“

Vision und Fokus statt Perfektion

Wer führen will, braucht Klarheit – nicht nur über Karriereziele, sondern auch über das eigene Warum. Sandra empfiehlt, sich diesen Zielen mit einem Vision Board anzunähern. Es hilft dabei, berufliche und private Wünsche sichtbar zu machen. Was simpel klingt, ist für viele ein kraftvoller erster Schritt. Auch Sandra hatte bereits Jahre vor ihrer jetzigen Rolle bei ZKW Bilder internationaler Zusammenarbeit auf ihrem Board – mit dem Wunsch, in einem vielfältigen, global vernetzten Umfeld zu arbeiten. Heute ist genau das Realität: Bei ZKW ist sie Teil eines internationalen Teams mit Standorten in China, Korea, Mexiko und den USA. Für Sandra ein klares Beispiel dafür, wie aus visionären Ideen konkrete berufliche Wirklichkeit werden kann.

Reflecting-Team als Entwicklungsbooster

Neben starken Visionen braucht es Sandra zufolge auch ein Umfeld, das ermutigt, Perspektiven eröffnet und ehrliches Feedback ermöglicht. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem sogenannten Reflecting Team – einer Gruppe von Menschen, die wertschätzend begleiten, kritisch mitdenken und helfen, blinde Flecken zu erkennen. Das können Mentor:innen sein, eine Peergroup aus dem beruflichen Kontext oder auch Vertraute, die nicht unmittelbar in den Alltag eingebunden sind. Ziel ist es, sich bei wichtigen Entscheidungen nicht isoliert zu fühlen, sondern durch gezielte Fragen und Impulse zur Reflexion angeregt zu werden. Gerade Frauen, die in Führungsrollen hineinwachsen oder sich beruflich neu ausrichten möchten, profitieren laut Sandra enorm von diesem strukturierten Austausch.

Better done than perfect

Und darüber hinaus betont Sandra eines besonders: den Abschied vom Perfektionsanspruch. Viele Frauen trauen sich erst dann Verantwortung zu übernehmen, wenn sie glauben, alle Anforderungen vollständig zu erfüllen – sei es in einer Jobbeschreibung oder in ihrer eigenen Vorstellung. Dabei blockiert dieser Anspruch oft mehr, als er nützt. Statt sich in vermeintlichen Defiziten zu verlieren, plädiert Sandra dafür, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt: Was sind meine Stärken? Wo will ich hin? Was ist mein nächster konkreter Schritt? „Wir brauchen nicht noch eine To-do-Liste“, sagt sie, „sondern Raum für Austausch, Reflexion und Entwicklung.“

Was ist alles auf meinem Tisch?

Ein einfaches, aber wirkungsvolles Tool, das Sandra gerne empfiehlt, ist die Übung „What’s on my plate?“ Frauen listen auf, was sie täglich leisten – beruflich, privat und oft unsichtbar in Form von Mental Load. Dabei entsteht meist eine lange Liste, die sichtbar macht, wie viele Rollen und Verantwortlichkeiten gleichzeitig bewältigt werden. Im nächsten Schritt wird hinterfragt: Was davon gibt mir Energie? Was raubt sie mir? Was kann ich abgeben, delegieren oder bewusst loslassen? Diese Klarheit hilft, Grenzen zu setzen, Prioritäten neu zu ordnen und den eigenen Alltag aktiv zu gestalten.

Female Leadership braucht neue Räume – und Alltagsenergie

Mit ihren Female Leadership Retreats schafft Sandra Räume, in denen Frauen Erfahrungen austauschen, Kraft tanken und Perspektiven entwickeln können. Dabei geht es nicht nur um Rollenbilder und Karriereplanung, sondern auch um Ressourcen wie Zeit, Energie und Unterstützung. Denn: „Freude und Lebendigkeit kann ich nur haben, wenn ich zwischendurch Kraft tanke.“

Und manchmal reichen dafür drei Minuten: ein kurzes Gespräch mit Kolleg:innen, ein Moment in der Natur, ein Perspektivwechsel. Diese Mikropausen im Alltag sind für Sandra essenziell, um in der eigenen Balance zu bleiben – besonders in verantwortungsvollen Rollen.

Chancen nutzen – auch wenn nicht alles erfüllt ist

Ein weiteres Thema, das viele Frauen bewegt: der Umgang mit neuen Herausforderungen und Karrierechancen. Während Männer oft schon bei 60 % der geforderten Kompetenzen „Ja“ sagen, zögern Frauen selbst dann noch, wenn sie 90 % mitbringen. Sandra rät: Wenn ein innerer Funke der Begeisterung spürbar ist – ausprobieren. „Man muss nicht jede Chance nutzen, aber man darf sich mehr zutrauen.“ Auch kleine erste Schritte – etwa eine Projektleitung – können wertvolle Führungserfahrungen bringen. Und: Unterstützung holen, etwa in Form eines vertrauensvollen Mentoring- oder Austauschkreises.

Gleichstellung ist Teamsache – auch zuhause

Female Leadership endet nicht im Büro – auch zuhause braucht es gelebte Gleichstellung. Sandra verweist in diesem Zusammenhang auf ein bekanntes Zitat von Sheryl Sandberg: „Männer können mit Gleichstellung beginnen, indem sie die Wäsche waschen.“ Ein Bild, das sie mit einem Augenzwinkern, aber viel Wahrheit versieht. Denn während in vielen Familien nach wie vor Frauen den Großteil der Care Arbeit übernehmen, geht es bei echter Gleichstellung auch um faire Verteilung im Alltag. Gleichstellung, so Sandras Botschaft, beginnt im Kleinen – und braucht nicht nur Strukturen, sondern auch Haltung und gemeinsames Commitment.

Zwischen Coaching und Konzernalltag

Sandra kennt beide Seiten – die individuelle Begleitung im Coaching ebenso wie die strategische HR-Arbeit im Großunternehmen. Für sie ist klar: Female Empowerment muss auf mehreren Ebenen passieren – im System, aber auch in der Haltung. Ihr Rat an Frauen mit Führungsverantwortung: „Finde deinen Fokus, trau dich, sichtbar zu werden – und stell dir ein starkes Team an deine Seite.“
👉 Mehr über Sandra und ihre Retreats: www.goodvibes.co.at


Dieser Artikel wurde verfasst von:

Portrait von Margit Wickhoff

Margit Wickhoff
Chefredaktion bei talksatwork

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